Wie wir Sinn finden

Wichtig für eine positive menschliche Entwicklung ist das Erleben positiver Gefühle (hedonic happiness). Verstärkt wird dies durch die Erfüllung und die Sinnhaftigkeit (eudaimonic happiness). Kennt man seinen Lebenssinn, so findet man Zufriedenheit und Lebensfreude. Dann ist man motiviert und erfolgreich in dem, was man macht. Jeder Mensch muss seinen eigenen Sinn im Leben für sich ganz individuell herausfinden. Diese Aufgabe liegt in einem selbst. Lebenssinn zu finden bedeutet, sich seiner Werte, Talente und Fähigkeiten bewusst zu sein.

Was ist Sinn?

Sinn ist ein menschliches Bedürfnis, das für ein glückliches Leben eine grosse Bedeutung hat. Ein positiver Verlauf der menschlichen Entwicklung besteht im Erleben positiver Gefühle (hedonic happiness), wie auch in der Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit (eudaimonic happiness).

Menschen besitzen eine Reihe an Überzeugungen und Zielen, aus denen sie ihren Sinn und ihre Missionen im Leben ableiten. Bei Menschen, die eine belastende Erfahrung erleben, findet unwillkürlich eine negative Beurteilung statt. Zusätzlich erfolgt eine negative Interpretation bezüglich der Bedeutung dieser Situation.

Jeder psychologische Hergang unterscheidet sich in den drei Aspekten: Emotion, Kognition und Verhalten.

Die emotionale Ebene bezieht sich auf die Gefühle von Erfüllung und Wohlbefinden. Diese sind das Resultat aus zielgerichteten Handlungsweisen, verbunden mit Motivation und persönlicher Energie.

Die kognitive Ebene bezieht sich auf individuellen Werte und persönlicher Überzeugung. Viele Menschen vereinen Sinn mit Gerechtigkeit und einem Gefühl des Zusammenhalts. Situationen die eine Vorhersage haben, werden als sinnhafter erlebt, als Zufälle oder Glück.
Salvere-Positive Psychologie-Wie wir Sinn findenIn Bezug auf das Verhalten wirkt sich Sinn im Gebrauch von aktiven und zielgerichteten Handeln in verschiedenen Lebensbereichen aus. Individuelle Ziele unterscheiden sich in den Bereichen Erfolg, Leistung, Macht, Gesundheit, Wissen oder Besitztum.

Sprachliche Facetten von Sinn

Sprachlich gesehen gibt es mehrere Worte für «Sinn» und «Bedeutung». Aus den unterschiedlichen Sprachen heraus entstehen sehr interessante Unterschiede. Im englischen wird zum Beispiel von «meaning» und «purpose» gesprochen.

Das aus dem englischen stammende «meaning» erklärt den Sinn vergangenheitsorientiert im Sinne von Bedeutsamkeit (Wie? Warum? Was?). «Purpose» ist auf die Zukunft gerichtet und übersetzt könnte man eher Bestimmung oder Berufung sagen. Dies bezieht sich im Zusammenhang auf die Erwartungen in der Zukunft. Sinn gilt nach psychologischen Forschungen als unabhängiger Bestandteil des persönlichen Wohlbefindens und ist ausschlaggebend für persönliches Wachstum, Lebensqualität und psychisches Wohlergehen.

Sinn und Glück

Um ein sinnvolles und glückliches Leben zu führen, muss das Lebensziel aus jedem Menschen heraus selbst kommen. Jeder Mensch findet andere Dinge wichtig und sinnvoll. Wenn das Lebensziel eine eigene Bedeutung hat, ohne gesellschaftliche Vorgaben oder andere Erwartungen von aussen, entsteht für uns Menschen das Gefühl, unsere Bestimmung gefunden zu haben. Das Leben bekommt einen Sinn und die Freude, wenn das Ziel für einen Zweck gebraucht wird, der für einen selbst am wichtigsten ist.

Beim Glück geht es darum, etwas zu tun, was jetzt und zukünftig Freude macht. Fortlaufendes und kontinuierliches Glück erfordert, dass der Weg zu erwünschten Zielen keine Schwere bereitet und Spass macht. Um positive Gefühle erleben zu können brauchen Menschen einen gegenwärtigen und zukünftigen Nutzen. Ziele sind individuell und haben für jeden Menschen eine eigene Bedeutung. Menschen benötigen Ziele, die sie gerne verfolgen. Dauerhafte Ziele haben den Sinn, das Hier und Jetzt zu geniessen und geben das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.

Viele Glücksforscher sagen, dass feste Ziele zum Wohlbefinden und die damit verbundene sinnvolle Handlungsfähigkeit sehr von Nutzen sind.

Sinnerleben ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die Grundlagen für subjektives Sinnerleben werden aus der Selbstbestimmungstheorie abgeleitet. Diese Grundlagen sind Kompetenz, Beziehungen und Autonomie.

Wie wir Sinn finden

(nach Park und George 2013)

Crystal.L. Park und Login S. George beschreiben in ihrem „Meaning-Making-Modell“ Prozesse, wie Menschen subjektiv Sinn finden können. Es wird hierbei zwischen einer allgemeinen(globalen) und situativen Sinnebenen unterschieden.

Salvere-Wie wir Sinn finden

Die globale Sinnebene setzt sich aus allgemeinen Überzeugungen, aus vielfachen subjektiven Sinnerleben und den persönlichen langfristigen Zielen zusammen.

Mit allgemeinen Überzeugungen verstehen sich allgemeine Ansichten über das Geschehen auf der Welt. Es geht darum, wie vorhersagbar, gerecht und bedeutungsvoll die Umwelt erlebt wird und wie das persönliche Selbstbild dazu passt. Aus den allgemeinen Überzeugungen formen sich Schwerpunkte, denen Menschen ihren Erfahrungen entsprechend einen Sinn geben.

Persönlich langfristige Ziele sind interne Interessen bezüglich erwünschter Ergebnisse oder Entwicklungen. Das können Ziele sein, die bereits erreicht sind und aufrechterhalten werden sollen (z.B. Gesundheit oder Beziehung). Es können aber auch Ziele sein, die erwünscht und zukünftig erreicht werden sollen. Die häufigsten persönlichen Lebensziele sind verbunden mit Beziehungen, Arbeit, Leistung, Wissen oder Religionen.

Das subjektive Sinnerleben beinhaltet ein wahrgenommenes Gefühl der Bedeutsamkeit. Persönliche Handlungsabläufe sind mit einem zukünftigen und erwünschten Zustand verbunden. Sie werden als zielgerichtet empfunden und erlebt. Subjektives Sinnerleben bildet die Grundlage für persönliches Sinnerleben.

Die globale Sinnebene eines Menschen prägt und erweitert sich im Laufe seiner Lebensgeschichte. Erfahrungen, die Menschen machen, dienen als Grundlagen, auf der neue Erlebnisse und Wahrnehmungen in das persönliche Sinnsystem erfasst werden. Die globale Sinnebene ist massgebend für Gedanken, Handlungen und Gefühle.

Die situative Sinnebene bezieht sich auf eindeutige Erfahrungen in spezifischen Situationen.
Erfahrungen werden in Bezug auf ihre Neuheit unwillkürlich bewertet. Erfahrungen, die belastend oder bedrohlich erscheinen, aktivieren ein Hinterfragen nach der Bedeutsamkeit dieser. Sie werden als Stressoren erlebt. Dieses Hinterfragen wird in zwei Stufen beantwortet:

Unverzügliche Bedeutungszuschreibung: Eine erste Bewertung erfolgt schnell, kann unbewusst und vollständig ablaufen. Sie schliesst bereits zahlreiche Ansichten mit ein. (Warum ist das eingetreten? Wie bedrohlich ist das? Kann ich das kontrollieren? Welche Auswirkungen hat das Ereignis?)

Widersprüche zwischen der globalen Sinnebenen und der aktuellen Bewertung: Widersprüche können unterschiedlich erlebt werden. Beziehen sie sich auf die zentrale Überzeugung, kann Unkontrollierbarkeit in den Vordergrund rücken. Das persönliche Verständnis für die Welt wird fraglich. Ebenso kann es zu Widersprüchen kommen, weil die Auswirkungen einer aktuellen Situation sich nicht mehr mit langfristigen Zielen vereinbaren lässt. Auch können Widersprüche daraus resultieren, dass Menschen ihre persönliche Bestimmung oder Berufung anzweifeln.

Steht die persönliche Erfahrung in einer spezifischen Situation im Zwiespalt zum globalen Sinnerleben, beginnt der Prozess von „Meaning Making“ (Sinnfindung). Der Prozess der Sinnfindung ist in der Regel nicht bewusst. Bewusst kann er jedoch im Sinne über die sogenannte Copingstrategie (Bewältigungsstrategie) ausgelöst werden. Fragen wie „Warum geschieht das? Warum passiert das mir? Warum jetzt?“ wären hierbei Ausdruckstile, die Prozesse der internen Sinnfindung zum Anstoss bringen. Werden diese Fragen positiv und sinngebend beantwortet oder geklärt, so integrieren Menschen dieses situative Sinnerleben ins globale Sinnerleben. Die erlebte Schwere sinkt. Bei zukünftigen Situationen, die einen ähnlichen Verlauf haben, ist dies hilfreich.

Werden keine sinngebenden Antworten oder Erklärungen gefunden, bleibt der Fokus auf der spezifischen Erfahrung und einer erlebten Sinnlosigkeit. Automatisch wird über die Situation gegrübelt. Es ist schwierig einen globalen Sinnzusammenhang zu schaffen. Die erlebte Schwere steigt weiter an. Das generelle Sinnerleben ist gefährdet.

Meaning-Making-Modell / Globale Sinnebene

Bei einer belastenden Erfahrung werden Fragen auf der situativen Sinnebenen ausgelöst, was notwendig ist, um mit dieser spezifischen Erfahrung umgehen zu können. Dies erfolgt im Hinblick auf des individuellen Selbst- und Weltbildes, der eigenen Ziele, und des generellen subjektiven Sinnerlebens. „Ich weiss, dass ich das schaffe.“ „Ich werde damit umgehen können.“ Wenn ich überlege, das ich das alles schon einmal geschafft habe.“ Eine gelungene Lösung einer früheren belastenden Erfahrung kann Menschen helfen, leichter einen Weg aus einer evtl. wiederkehrenden Krise zu finden. Es wurden bereits Erfahrungen mit dieser Situation gesammelt und es erleichtert eine Kohärenz in der globalen Sinnebenen zu entwickeln.

Wo wir Sinn finden

Robert Emmons (2003) hat in einer Studie vier zentrale Bereiche ablesen können, aus denen sich subjektives Sinnerleben sättigt.

  • Beziehungen und Nähe – Gute Beziehungen erleben, Vertrauen, Hilfsbereitschaft
  • Leistung und Arbeit – Von dem Wert der eigenen Arbeit überzeugt sein, sich dafür einsetzen, neue Herausforderungen suchen
  • Religion und Spiritualität – Persönliche Beziehung mit etwas Höherem (Gott), in einer Glaubensgemeinschaft Beiträge leisten, der Glaube an ein Leben nach dem Tod
  • Selbsttranszendenz und Generativität – Das Handeln nicht nur aus eigenem Interesse heraus, einen Beitrag zu einer Gruppe/Gemeinschaft leisten, ein Vermächtnis hinterlassen

Richard M. Ryan und Edward L. Deci unterscheiden weitere inhaltliche Standpunkte für das subjektive Sinnerleben. Zum Teil sind sie kongruent mit den Ergebnissen von Robert Emmons.

Diese sind:

  • Fairness und Respekt – Die Basis aller gelingenden Beziehungen ist Fairness und Respekt.Gegenseitige Achtung bewirkt, dass Kommunikation und Beziehung als sinnvoll wahrgenommen wird.
  • Gelingen – Das Handeln im Sinne persönlicher Werte trägt zum Sinnerleben bei. Das Erreichen subjektiv wertvoller Ziele sorgt für eudaimonisches Wohlbefinden (psychologisches und soziales Well-Being, zusammengesetzt aus Selbstakzeptanz, persönliche Entwicklung, positive Beziehungen, Autonomie, Berufung, ökologische Empfindsamkeit)
  • Beziehungen – Gegenseitige Unterstützung fördern gute Beziehungen. Empfindsames und engagiertes Handeln macht langfristig glücklicher als eigennütziges.
  • Selbstakzeptanz – Sich selbst annehmen, mit sich selbst „gut Freund sein“, Selbstwertgefühl, Selbstmitgefühl aufbringen. Sich in eigener Person wohlzufühlen ist ein zentrales Fundament für persönliches Sinnerleben.
  • Nähe – Zum persönlichen Sinnerleben kann die eigene Entscheidung zur intimer Nähe und Vertrauen mitwirken. Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, trägt zum persönlichen Sinnerleben bei.
  • Selbsttranszendenz – Eigene Sinnfragen stehen in Verbindung mit der Frage, wie wir Menschen über uns hinauswachsen können. Dazu gehört auch, welche Beiträge im Leben geleistet werden und welche Überlieferungen/Vermächtnisse diese hinterlassen.
  • Spiritualität bzw. Religion – Der Glaube an etwas Höheres, ohne einer Religion zugehörig zu sein. Menschen müssen nicht religiös sein, um Spiritualität zu erleben. Religion kann handlungsbezogen (Kirchgang, religiöse Methoden), aber auch nur als innere Haltung (Zugehörigkeit einer Religion) praktiziert werden.

Sinn in der Logotherapie

Die Logotherapie, auch Existenzanalyse genannt, wurde von dem österreichischen Psychiater und Neurologen Viktor E. Frankl (1905-1977) begründet. Viktor E. Frankl entstammte einer jüdischen Beamtenfamilie und hat den Holocaust überlebt. Für Frankl ist das existenzielle Streben (der Wille zum Leben!) nach dem Sinn im Leben das wichtigste Motivationspotential des Menschen. Sinn entsteht nach Frankl in der Logotherapie durch persönliches und wertbezogenes Handeln.

Die Logotherapie basiert Salvere-Positive Psychologie-Wie wir Sinn finden-Freiheitauf drei Standpunkten:

  • Die Freiheit des menschlichen Willens – Jeder Mensch kann seine Einstellung und innere Ansicht frei wählen. Frankl hat die Erfahrung im Konzentrationslager gemacht, dass ihm alles genommen werden kann, aber niemals die innere Freiheit.
  • Der Wille zum Sinn – Ist die Verantwortung für jeden Menschen, das Richtige zu tun. Dies beinhaltet eine allgemeine Ethik und ein angebrachtes moralisches Engagement.
  • Der Sinn im Leben – Der Sinn des Lebens beruht auf dauerhaften Werten und aus vielen sinnvollen Momenten. Die Stärkung des globales Sinnerleben durch diese situative Sinnebene. Aber auch die Stärkung dieser situativen Sinnebenen durch einen globalen Sinn.

Das Leben hat nach Frankl eine intrinsische Bedeutung.

Jedes Leben hat einen eigenen Sinn.

Jedes Individuum hat seine eigene Bestimmung.

«Sinnverwirklichung ist Werteverwirklichung vor dem Hintergrund der Wirklichkeit! »

Viktor E. Frankl

 

Fazit:

Lebe im Jetzt und in der Gegenwart! Das ist der Sinn des Lebens!