Psychologische Grundbedürfnisse

Damit ein Mensch sich gut entwickeln kann und seelisch gesund bleibt, müssen seine körperlichen und seelischen Grundbedürfnisse ausreichend befriedigt werden. Für eine gesunde Entwicklung brauchen wir mehr als nur Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Der Wunsch nach Nähe zu vertrauten Personen und das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz gehören ebenso dazu, wie der Drang, Neues zu erleben und die Welt zu erkunden.

Die 4 psychologischen Grundbedürfnisse nach Klaus Grawe

Psychologische Grundbedürfnisse

Psychologische Grundbedürfnisse

Um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen, sollte man seine Bedürfnisse wahrnehmen und befriedigen können. Es ist von besonderer Wichtigkeit seine psychischen Grundbedürfnisse zu kennen und zu erfüllen. Die Erfüllung der psychischen Grundbedürfnisse stellt die Basis eines seelisch gesunden Lebens dar. Es gibt Grundbedürfnisse, ohne die das Leben nur schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Dazu zählen zum Beispiel Essen, Trinken oder Schlafen. Wird diesen Bedürfnissen nicht nachgegangen, kommt es zu Unwohlsein und Mangelerscheinungen. Ähnlich ist es um die Psyche bestellt, welche auch ganz bestimmte Grundbedürfnisse aufweist.

Wir erleiden psychische Störungen, wenn unsere psychologischen Grundbedürfnisse nicht gestillt sind. Durch andauernde oder besonders starke Frustration der psychischen Grundbedürfnisse kommt es zu einem Ungleichgewicht und schliesslich zu einer psychischen Störung. Psychische Störungen sind dann „ungesunde“ Lösungsversuche eines Menschen, mit dieser Frustration und den dadurch entstandenen Spannungen umzugehen. Im Sinne der psychischen Gesundheit ist also das Streben nach Konsistenz und die Vermeidung von Inkonsistenz gemeint. Als „Hauptform von Inkonsistenz“ bezeichnet Klaus Grawe (UNI Bern) die Nichtübereinstimmung zwischen den Zielen eines Menschen und der Realität. Ein Mensch fühlt sich also nach Grawe wohl, wenn seine Bedürfnisse miteinander übereinstimmen und er seine Bedürfnisse befriedigen kann.

Grundbedürfnisse

Bindung = (seelisch + körperlich nah) + Beziehung (gesellig, freundschaftlich)

„Ich will anderen Menschen nahe sein und jemanden haben, auf den ich mich verlassen kann.“

Bindung bedeutet nicht nur Liebe zu einem Partner oder Kind, sondern beinhaltet alle positiven Bindungen mit Freunden, Arbeitskollegen und anderen. Ein Single kann sehr wohl zufrieden und gesund sein, wenn er genügend andere positive Beziehungen pflegt.

Kontrolle = (im Umgang mit faktischer Welt) + Orientierung (in der Sinnwelt)

„Ich will nicht hilflos sein, sondern selbstständig mein Leben auf die Reihe bekommen. Ich erkenne dabei auch die realistischen Grenzen in meiner Umwelt.“

Für uns Menschen ist es wichtig orientiert zu sein und das Gefühl von Kontrolle über unser Leben und der Umwelt zu haben. Kontrollverluste führen zu Angst und Verzweiflung, bis hin zu Hoffnungslosigkeit und Apathie.

Lustgewinn/Unlustvermeidung = (Arbeitsfreude)

„Schöne Dinge will ich suchen und erleben, schmerzhafte und unangenehme Dinge will ich vermeiden.

Wir suchen das auf, was uns Lust bringt (ein gutes Essen, ein toller Film, ein schönes Bild) und meiden das, was Unlust erzeugt (wir fassen keine heisse Herdplatte an und werden nur höchst ungern vom Vorgesetzten kritisiert oder gehen ungern bei kalten Wetter schwimmen).

Selbstwert-Schutz und oder Selbstwert-Erhöhung

„Ich will stolz auf mich sein können!“

Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz ist ein spezifisch menschliches Bedürfnis mit sehr hohem Einfluss auf das Wohlbefinden. Menschen brauchen lebenslang wiederkehrende, wohlwollende Beachtung, Bestätigung und Anerkennung. Nur so kann ein Gefühl von eigener Kompetenz, Selbstwirksamkeit, Würde und Selbstachtung entstehen und erhalten bleiben. Sehr viele Menschen leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl und machen in der Folge alles, um Anerkennung zu erhalten. Sie leisten extrem viel, teilweise bis zur Selbstaufgabe, um das grauenhafte Gefühl (nichts wert zu sein) nicht spüren zu müssen. Sie denken, sie dürfen nie NEIN sagen, da sie sonst ja nichts wert sind. Sie müssen immer perfekt sein, um sich vor Kränkungen zu schützen.

Analyse (sind meine Grundbedürfnisse erfüllt?)

Welche Bereiche sind „versorgt“, wo braucht es mehr? In welchen Lebensbereichen kann ich für noch stabilere/verlässliche Befriedigung der Grundbedürfnisse sorgen? Was ist Ihnen wichtig, was macht Sie im Leben wirklich glücklich? Was sind Ihre Antriebsfedern und inneren Energielieferanten?

Durch die Nichterfüllung und Verletzung der Bedürfnisse schon im Kindesalter tragen wir seelische Wunden davon. Diesen Mangel spüren wir oft auch noch als Erwachsener. Woran erkenne ich, ob meine Grundbedürfnisse erfüllt sind?

Bedürfnisse verursachen Emotionen! Ein nicht zugelassenes Bedürfnis macht Angst! Angst, das Bedürfnis nicht weiter unterdrücken zu können und Angst, für dieses Bedürfnis bestraft zu werden (Schema). Welche Emotionen sich bei Nichterfüllung unserer Grundbedürfnisse zeigen und welche Schemen sich aus den einzelnen ergeben können, sehen Sie  hier dargestellt:

Grundbedürfnisse1

Bindung

Vielleicht haben wir ein überdurchschnittlich hohes Bedürfnis nach Nähe und Bindung,  unter Umständen sogar Verlassens-Angst (Angst vor Verletzung des Bindungsbedürfnisses). Damit dies nicht passiert, gewöhnen wir uns vielleicht die Strategie an, unsere eigenen Bedürfnisse zugunsten unseres Partners oder der Kinder zurückzustellen – egal um welchen Preis. Jedoch merken wir trotzdem, dass das Grundbedürfnis nicht gefüllt ist. (Gefühl chronischen Mangels).

  • Welche Personen sind Ihnen wichtig?
  • Sind Sie ein Beziehungstyp?
  • Wie balancieren Sie Nähe und Distanz?

Kontrolle

Menschen ist es grundlegend wichtig, zu wissen, was in der sie umgebenden Umwelt passiert und zu erfahren, dass man selbst einen Einfluss auf das Geschehen und sein eigenes Leben hat. Hilflosigkeit und Kontrollverlust werden ungern erlebt. Zum Wohlbefinden gehört, sich als frei handelnder Mensch zu erleben. Wurde das Kontrollverhalten nicht ausreichend gefördert, kommt es zu einer Inkonsistenz, die sich als Angst von Versagen, Verletzbarkeit und unentwickeltes Selbst zeigt.

  • Neigen Sie dazu, alles kontrollieren zu wollen?
  • Können Sie zielstrebig sein?
  • Lieben Sie das kreative Chaos?

Lustgewinn/Unlustvermeidung

Das Erleben von Lust und Unlust ist in unserem Organismus verankert und die Erkenntnis ist trivial, so dass Menschen prinzipiell danach streben, Angenehmes zu erleben. Sei es ein gutes Essen, ein schönes Gespräch oder ein schöner Urlaub. Unangenehme Situationen, die Unlust hervorrufen, wie Schmerzen, Konflikte, etc., möchten wir vermeiden. Wenn wir in der Kindheit beispielsweise unsere Freude nicht zum Ausdruck bringen durften, haben wir uns zum Schutz, übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit antrainiert.

  • Was bereitet Ihnen besondere Freude?
  • Was bewirkt bei Ihnen am meisten Ekel?
  • Sind Sie ein Geniesser? Können Sie feiern?

Selbstwert-Schutz und / oder Selbstwert-Erhöhung

Wurden Sie von Ihren Eltern nicht ausreichend anerkannt und erhielten eher Botschaften von „Du bist so nicht o.k.“, so hat Ihr Selbstwert darunter gelitten. Dadurch haben Sie vielleicht gelernt, durch überdurchschnittliche Leistung und Angepasstheit ihr Defizit auszugleichen. Gleichzeitig spüren Sie, dass sie trotz des hohen Bedürfnisses nach Anerkennung, die Wertschätzung von anderen dafür gar nicht annehmen können. Also egal wieviel Sie geben bzw. oben reinfüllen, es läuft wie bei einem Fass ohne Boden unten wieder raus, und Sie fühlen selten oder nie dieses „Ich bin o.k.“.

  • Was gibt Ihnen am meisten Selbstwert?
  • Welche Lebensmuster haben Sie, um sich vor Blamagen zu schützen?

Stärkung der psychologischen Grundbedürfnisse

Stärkung Psychologische Grundbedürfnisse

Stärkung Psychologische Grundbedürfnisse

Die Persönlichkeit entwickelt sich im Laufe des Lebens aufgrund der gemachten Erfahrung und der Lebensbedingungen immer weiter. So werden nicht nur Kinder durch die Familie, Freunde und Schule beeinflusst. Auch Erwachsene entwickeln sich durch ihre Erfahrung durch die Arbeit, Bekannte, den Partner und durch Elternschaft weiter. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen bedeutet Achtsamkeit, also „Ich bin es mir Wert und Achte darauf was mir gut tut und was nicht“.

Nur wer sich dessen bewusst ist, was er bisher erfahren hat, kann seine Erfahrung für die Zukunft nutzen. Nachfolgend finden Sie ein paar Anregungen, wie Sie Ihre Grundbedürfnisse beleben und dadurch nachhaltig an Stärke gewinnen.

Bindung

Soziale Kontakte: Das soziale Netzwerk ist ein wichtiger Faktor. Nehmen Sie sich daher Zeit für Ihre Freunde, Bekannte und Ihre Familie. Der Kontakt mit nahestehenden Menschen bietet Ihnen dazu den notwendigen Ausgleich zum Arbeitsleben.

Kontrolle

Klare Lebensziele definieren: Versuchen Sie, die Frage zu beantworten: „Was will ich eigentlich im Leben?“ oder „Was möchte ich in 3 Jahren erreicht haben?“. So können Sie Ziele bewusst verfolgen. Versuchen Sie auch, sich von Vorstellungen zu verabschieden, die Ihnen andere vielleicht eingeimpft haben. Nur so verzetteln Sie sich nicht in kräftezehrenden Projekten, die Sie letztlich nicht zufriedenstellen.

Lustgewinn/Unlustvermeidung = (Arbeitsfreude)

Sich selbst erkennen: Nur wer den persönlichen inneren Antreiber kennt, braucht sich selbst nicht in Form von „Sei perfekt!“, oder „Mach es allen recht!“ zu überfordern. Machen Sie sich klar, dass niemand immer perfekt sein kann und Fehler zum Leben gehören. Gestehen Sie sich zu, dass Ihre Bedürfnisse ebenso wichtig sind, wie die Ihrer Mitmenschen.

Selbstwert-Schutz und / oder Selbstwert-Erhöhung

Stärkung der Selbstakzeptanz: Menschen mit einer starken Selbstakzeptanz haben auch ein Selbstbewusstsein, das von Erfolgen unabhängig ist. Damit schwindet die Gefahr des Überengagements und des Gefühls, ausgebeutet zu werden.

Selbstaufmerksamkeit: Befragen Sie sich regelmäßig selbst, wieviel Stress Sie haben und wie zufrieden Sie mit Ihrem Leben sind. Ein Tagebuch hilft aufzudecken, in welchen Situationen und Zusammenhängen Stress auftritt und ob er sich kontinuierlich verstärkt. Wer sich nicht nur auf seine Selbstwahrnehmung verlassen will, kann auch Freunde und Familie um Hilfe bitten. Sie widerspiegeln direkt, wenn Sie reizbarer oder weniger motiviert erscheinen als gewöhnlich.

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